Abercrombie & Fitch – die Ersatzreligion.

Foto: styleranking.de

Abercrombie & Fitch öffnen morgen die Pforten zu ihrer neuen Kathedrale in Düsseldorf. Erstaunlich, daß selbst die Hohepriester der banalen US-Sportswear an diesem pseudo-großstädtischen Ort keinen Platz in 1A*****-Lage für ihr Gotteshaus fanden und daher in die einzelhändlerische Diaspora der „West-Kö“ ziehen mussten (die auch mit gutem Willen einfach nicht so gut klingt wie z.B. Westend oder West-Village, selbst als internationalisierte „West-Koe“ nicht).

Nun beginnt der Surfer-Orden A&F also hierzulande seine Missionierung. Natürlich nicht wie seinerzeit die Kirchenvertreter, die mit einem global verzweigten Netz an gebrainwashten Guerilla-Marketinglern durch Urwälder streiften und den ahnungslosen Ureinwohnern schräge Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählten (dies nicht ohne ihre Glaubwürdigkeit bekanntlich bisweilen durch Züchtigung oder kleine bis große Gemetzel zu unterstreichen).

Bei A&F geht es friedlicher zu. Und A&F machen angeblich keine Werbung. (Wenn man Godzilla-große Nackedeis an Häuserfassaden und das wochenlange Spalier von 40 internationalen six-packs vor den noch geschlossenen heiligen Hallen nicht Werbung nennen möchte.) A&F sind plötzlich einfach da und bieten ihren treuen Sinnsuchenden einen entsprechend stiftenden Ort. Diese sind, entgegen landläufigen Glaubens, zumeist übrigens nicht mehr die cool-rich Kids sondern zunehmend Eltern und Großeltern, einer eher schlichteren Gesellschaftsspezies entstammend. Denn sie sind es, wie seinerzeit die Ureinwohner, die sich gerne von religiösen Ritualen in eine Massenhysterie versetzen lassen.

Bei A&F wimmelt es von Ritualen. Obligatorisches Schlangestehen vor dem Laden, dann Licht aus, Musik laut, überall im Labyrinth der sich ewig wiederholenden, nur schemenhaft erkennbaren Plünnen kreuzen barbusige Tempelrittermodels, die einem zudem noch tanzend Mantren zubrüllen – wow! Wer das übersteht und hier einkauft, ist ein Märtyrer. Dabei geht es zu allerletzt um die Klamotte, die ähnlich weichgespült daherkommt wie ihre Muckibuden-Klientel.

Aber es gibt auch Überraschungen nach dem Besuch der heiligen A&F-Messe: Die Höhe der eigenen Spende in die Kollekte zum Beispiel (für die man sogar einen Beleg erhält und die wahlweise auch per Kreditkarte zu entrichten ist), die wahre Beschaffenheit des eigentlich begehrten Produkts – der schicken Tüte, die zum Beschweren mit ein paar A&F-Werbeklamotten gefüllt ist, deren realer Gegenwert in keinem Verhältnis zum Kollektenbeitrag steht. Und die Erkenntnis, daß keine zwei Stunden nach Öffnung der Kathedrale auch das kleinste rheinländische Kaff von A&F missioniert ist. Die neue Uniform macht es deutlich und alle stimmen gemeinsam ein: IN BRANDS WE TRUST! Vor A&F sind wir alle gleich.

8 Gedanken zu “Abercrombie & Fitch – die Ersatzreligion.

  1. Super Marketingidee. Wieso so lange anstehen? Nun ja, die jungen Mädchen sehen nicht jeden Tag jung und gut gebaute männliche Models. Der zweite Punkt: man möchte dazu gehören. Viele Jugendliche lieben diesen Laden, da die Atmosphäre super ist und sicher kein Shop ist indem Mutter mit ihnen einkaufen geht.
    Zum Glück kommt Abercrombie & Fitch auch bald nach München!

  2. Einen interessanten Artikel zu Abercrombie & Fitch gibt es auch in der aktuellen brand eins. Jetzt kostenlos auf der Webseite zu lesen: Sex sells. Allerdings funktioniert die Masche nicht ewig. Analyse einer merkwürdigen Marke: http://goo.gl/SUT0p
    Schöne Grüße
    Frank Dahlmann
    (brand eins Redaktion)

  3. Hallo nochmal, du netter und ehrlicher Junge:-)..ich finde es klasse, dass du dich hier so offen äusserst. Ich lebe in London und habe den Massenansturm an der Savile Row hier schon ein paar Jahre beobachtet. Von aussen, den in dem Laden selbst war ich nur 1x. Ich kann die Dunkelheit, die Lautstärke und besonders den Geruch nicht ertragen. All meine Freunde aus Deutschland fragten aber nur nach diesem einen Laden… Das ist einfach ein Phönomen. Full Stop! Sobald hinter einer Marke aber nur noch der Wachstumsgedanke steht, ist das Ende aber irgendwie schon absehbar, weil es dann ganz schnell Massenware anstatt Markenware wird. Wenn über London der Kontinet erobert wird, ist die Besonderheit, dass man es eben nur in den USA oder London bekommt, auch bald gone:-(! ‚Aber hey, was soll’s`?‘ werden sich die Investoren denken, denn der ROI hat gestimmt. Das Geschäftsmodell ist eben ein anderes. Mit Passion für Stil und Mode hat das nichts zu tun.

    Lieben Gruß,
    Bee

  4. Bee, ich kann deinen Standpunkt verstehen und verstehe diesen Hype ehrlich gesagt auch nicht. Da ich ja hier den Vorteil habe Anonym mich äußern zu können, kann ich sagen, dass wir seit Jahren modetechnisch nichts neues bringen. Lediglich ändern sich die Sprüche auf den shirts und evtl. die Motive. Das Image ansich sehe ich schon als sehr fragwürdig an. Hollister Sponsort oder vertritt, gar veranstaltet nichts was mit dem Thema „Surfing“ zu tun hat. Ich persönlich glaube auch, dass spätestens in 2 Jahren auch der Europäische Markt gesättigt sein wird. Wenn sich also die Leute in ihren Büros nicht langsam mal mühe geben sollten, werden bald die Tage dieser Marke gezählt sein. Es sei denn A&F bildet bald wieder einen weiteren Zweig, wie es zuvor schon mit der Marke „RUEHL“ versucht wurde. Dann könnte das ganze mal wieder von vorne los gehen, bis wir dann in weiteren 2 Jahren wieder am gleichen Punkt angekommen wären.

  5. Junge, ich glaube Andreas und mir ging es gar nicht um das Schlangestehen, sondern um den Hype an sich. Klar kann man nicht alle Kunden auf einmal in den Laden lassen. Das kenne ich aus London von anderen Shops auch, Fakt ist, dass es bei A&F irgendein ganz besonderes Etwas geben muss, das die Massen unglaublich anzieht und das alleine ist schon eine grandiose Marketingleistung!

    Ich wünsche Dir richtig gute Umsätze in Düsseldorf und eine nicht allzu verrückte Vorweihnachtszeit!

    Bee

  6. Ich arbeite selber bei A&F und muss das schlangestehen mal erklären.
    Ich beobachte schon länger, dass die meisten Menschen kein Verständnis für das Schlangestehen entgegen bringen.
    Es ist nämlich so, dass bei einem solchen dauerhaften Andrang es praktisch unmöglich ist, alle zur gleichen Zeit in den Laden zu lassen, weil der zuständige „Store-Manager“ ärger mit der Brandschutzverordnung bekommt. Es ist einfach fakt, dass es auch keinen Spaß machen würde, in einem Laden einzukaufen, in dem man sich nichteinmal mehr um die eigene Achse drehen könnte. Vor jedem anderen Laden dieser Welt würde eine Schlange stehen, wenn der Laden einfach überfüllt wäre.

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